Chromogramme

Die Medien, die die Künstlerin Victoria Coeln benützt, sind Licht, Farbe, Raum und Zeit, aber auch Fotopapier, Architektur und nicht zuletzt der menschliche Körper, der als biologisches System in Interaktion mit den angebotenen Kunstwerken diese immer wieder neu formuliert. Die Arbeiten funktionieren nämlich nicht nur – wie in allen anderen Rezeptionsprozessen auch durch die Akzeptanz als Werk, das über[1]haupt erst durch Rezeption zu Kunst wird –, sondern in spezieller Weise durch die zirkulären, selbstreferenziellen Elemente ihrer Produktion und ihrer Wahrnehmungsmöglichkeiten: Indem das Sehen von Farben und Licht selbst als Thema und Inhalt der Arbeiten gesetzt ist, beziehen letztere wiederum gleichzeitig ihre Legitimität aus dem kognitiv-psychischen Wahrnehmungs[1]prozess der Betrachter:innen. […]
Den Herstellungsprozessen für Chromotope und Chromogramme gehen komplizierte und komplexe Forschungsprozesse voran, die Victoria Coeln in ihrem Licht-Atelier durchführt: Die Künstlerin experimentiert mit Farbräumen, als deren chromotope Lichtquellen Projektoren eingesetzt werden. Farb[1]mischungen, Glastransparenzen, Projektionsweiten, Lichtbrechungen und Papiereigenschaften werden erprobt; sie fungieren als Elemente sowohl für die Chromogramme als auch für die Lichtinterventionen, in denen die Betrachter:innen zu Ko-Akteur:innen werden. […]

Victoria Coelns Chromogramme funktionalisieren die physikalischen Eigenschaften von Licht auf mehreren Ebenen: Zuerst wird Licht als Materie sichtbar. Dann werden Farben durch die kognitiv-psychischen Konstruktionsleistungen des menschlichen Organismus beobachtbar. Die Chromogramme selbst dienen wiederum als Medien zur “Formierung” von Wahrnehmung, indem sie bestimmte Unterscheidungen bereits voraussetzen, zum Beispiel die Wahl eines bestimmten Farbspektrums, das uns – als Betrachter:innen – schließlich zur Verfügung gestellt wird.

Diese Unterscheidungen können an allen Stellen der Arbeiten beobachtet werden und beziehen sich immer auf den Produktionsprozess sowie Rezeptionsprozess selbst. Diese Selbstreferenzialität fokussiert wiederum nichts anderes als zu treffende Unterscheidungen: zum Beispiel am “Rand” der Chromogramme, am Ende des Papiers, an der Kante der “Träger[1]medien”, auf die die Fotos kaschiert sind. Bezogen auf die Grenzen zwischen festen Materialien sind die Unterscheidungen (Papier/Nicht Papier) relativ klar zu treffen.



Komplexer wird die Angelegenheit, wenn wir den Lichtraum betrachten, den die Arbeiten hervorbringen. Wo beginnt der bläuliche Schimmer der Farbe, und wo endet die Reflexion der Farbe im Licht des Raums? Als Betrachter:innen werden wir immer weiter in die Tiefen vordringen müssen, um zuletzt dennoch nur selbst die Unterscheidung zwischen Emission und Remission des Lichts bzw. der Farbe treffen zu können. Katharina Gsöllpointner.

Festgehalten werden muss, dass FarbenSehen dennoch eine höchst individuelle Angelegenheit ist, die wesentlich von kulturellen und neurophysiologischen Faktoren mit konstituiert wird. Untersuchungen mit Farbenblinden oder Menschen mit Schädigungen des Gehirns haben u. a. gezeigt, dass Farben zwar erkannt, aber nicht mehr korrekt benannt werden können. (Vgl. dazu etwa Maffei, L./ Fiorentini, A., Das Bild im Kopf, Birkhäuser, Basel: 1997).

