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Heike Sütter
Im Wiener Stadtpark, an einer zentralen Wegkreuzung vor dem Kursalon, steht seit rund hundert Jahren das vergoldete Bronzestandbild von Johann Strauss. Es zählt zu den meistfotografierten Denkmälern Wiens. Was stellt man heute, zum 200. Geburtstag des Walzerkönigs, einem solch populären und ikonischen Monument zur Seite?
Mit LichtStrauss wählt Victoria Coeln ein künstlerisches Format, das in der Gegenwart verankert ist und zugleich eine Brücke in den Strauss'schen Kosmos schlägt. Betritt man abends den Park, wird man von projizierten Blumenornamenten angezogen, die die Parklandschaft überschreiben. Speziell gefertigte Gläser werden in Projektoren eingesetzt und schaffen Lichtinseln, die den Eindruck eines realen Landschaftsgemäldes erwecken: weiße Blumengrafiken, Farbfelder und abstrakte Lichtlinien. Diese lassen sich einerseits als Notationen der Augenbewegungen lesen, andererseits lenken sie den Blick auf Landschaftselemente und stellen Verbindungen her. Beide Lesarten spielen für die Künstlerin eine zentrale Rolle.
Lichtkunst verändert die ästhetische Wahrnehmung des Parks: Die Dunkelheit wird zur Bühne - ein Ort der Begegnung und Interaktion. Aus kunsttheoretischer Sicht knüpft die Arbeit an zwei Aspekte an: die Idee von Raum und die Frage nach der Skulptur als Monument. Seit der Einweihung des Strauss-Denkmals 1921 hat sich die künstlerische Auseinandersetzung damit grundlegend verändert. Raum gilt nicht mehr als bloßes Gefäß, sondern entsteht erst durch Wahrnehmung und Interaktion.
Durch Augmented Reality wird der Raum um eine virtuelle Dimension erweitert: Während das Parkgelände als reales Lichtkunstwerk erlebt wird, gewährt das Smartphone Einblick ins Studio der Künstlerin. Dort begegnen wir sieben Performerinnen, die sich entschieden haben, öffentlich aufzutreten. Ihre Auftritte sind medial vermittelt, fanden ursprünglich an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit statt. Damit setzt sich LichtStrauss kritisch mit dem traditionellen Monument auseinander: Waren Denkmäler früher statische, repräsentative, heroische Skulpturen im öffentlichen Raum, sind es heute auch performative und digitale Formate, die alternative Perspektiven auf Geschichte eröffnen und andere Akteur*innen zeigen.
So stellt LichtStrauss den männlichen Skulpturen im Stadtpark sieben starke Frauen gegenüber. Diese virtuellen Performerinnen „leben" in Habitaten, die durch Blumenornamente markiert sind. Da die Figuren aus Strauss' Operetten keine visuelle Signifikanz haben, übernimmt ein Blumenleitsystem ihre Stellvertretung. Diese Ornamente sind in Spezialgläser graviert und werden auf die Parklandschaft projiziert. Ein kleiner weißer Kreis zeigt dabei an, wo sich die Augmented Reality am besten aktivieren lässt.
An drei Eingängen erhalten Besucher*innen ein „LichtStrauss"-Bouquet, das als 3D-Objekt mit einer neuen Kurzversion des Frühlingsstimmen-Walzers aktiviert werden kann. In eigens produzierten Kurzfilmen greifen die sieben Frauen die in Strauss-Operetten angedeutete Emanzipation auf und setzen ihr eine aktuelle Perspektive entgegen. Jede Performerin nimmt Bezug auf eine Operettenfigur, geht aber ihren eigenen Weg und erobert ihren eigenen Raum. Die Musik für die Kurzfilme und die Augmented Reality stammt von Matthias Leboucher. Er dekonstruiert Strauss-Werke, zerlegt sie und verbindet sie mit neuen Aufnahmen der Performerinnen zu sieben neuen musikalischen Stücken. So entsteht - analog zur visuellen Ebene - eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Licht mit all seinen Bedeutungsebenen bildet die Basis von Victoria Coelns künstlerischer Praxis. Es überschreitet Grenzen, macht sie sichtbar und veränderbar. So entstehen offene Bühnen im realen wie virtuellen Raum, die komplexe Verbindungen zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem thematisieren - historisch wie gegenwärtig.